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Kurzbiografie


Die Karriere als Musiker schien vorgezeichnet: Der ausgebildete Pianist und Geiger Heinrich Otto Kreuchen, 1900 in Frankfurt am Main geboren, lehrte an verschiedenen Konservatorien. Doch die Liebe zur bildenden Kunst setzt sich durch. Er beginnt die Ausbildung zum Bildhauer bei Professor Hausmann in dessen Frankfurter Atelier für Großplastik. Die Begabung des jungen Kreuchen findet schnell Anerkennung in der Fachwelt. Er wird Meisterschüler im Bildhauer-Atelier des Städelschen Kunstinstituts und im Oberurseler Privatatelier des Bildhauers Harold Winter.

Ein Stipendium der Stadt Frankfurt und des Frankfurter Künstlerbundes ermöglicht Kreuchen den ersehnten Studienaufenthalt in Paris. Dort beeindruckt und fördert ihn der Expressionist Aristide Maillol, dessen massige, kraftvolle Akte das schlichte, in sich ruhende Dasein der Antike jenseits aller Probleme und Leidenschaften wiedergewonnen haben. In Deutschland prägt und würdigt vor allem der Impressionist Georg Kolbe, der in der Nachfolge des genialen Auguste Rodin anmutig bewegte Frauengestalten von kühler, sauberer Schönheit geformt hat, das Schaffen Kreuchens.

Dieser verbindet die beiden Stilrichtungen und führt sie weiter bis zur Moderne. Sowohl seine Akte als auch seine Porträts gestaltet er zu wesentlichen Menschenbildern mit beeindruckender Ausdruckskraft. Die sinnenfrohe Verliebtheit in die schöne Oberfläche vertieft er in Hintergründiges. Nicht die Flüchtigkeit des Augenblicks ist ihm wichtig, sondern der seelische Gehalt. 1932 sind Werke Kreuchens auf der großen internationalen Plastiken-Ausstellung „Secession" in Berlin vertreten. Es folgen stark beachtete Expositionen im Frankfurter Kunstverein und in vielen namhaften Galerien Deutschlands. Bedeutende Zeitungen und Zeitschriften veröffentlichen Arbeiten des Künstlers.

Doch die Naziherrschaft und der Zweite Weltkrieg bringen schmerzhafte Einschnitte in das Leben und Wirken des Bildhauers und Malers. Seine kreative Heimat, der Frankfurter Künstlerbund, wird aufgelöst. Der Militärdienst unterbricht den künstlerischen Schaffensdrang. Schließlich wird er total ausgebombt und verliert sein Atelier an der Frankfurter Hauptwache. Viele seiner Werke werden vernichtet oder gehen verschollen. Mit seiner Mutter, seiner Frau und den beiden Töchtern muß er 1943 aus der pulsierenden Weltstadt wegziehen in das stille Taunusdörfchen Dombach, wo die Familie nach langjähriger notdürftiger Unterkunft ein Haus baut.

Nun hat Kreuchen wieder ein Atelier. Aber ein Augenleiden hat ihn fast blind gemacht und die Freude an der neuen Heimat getrübt. In dieser schweren Zeit sind es neben der Familie vor allem die Dombacher Pfarrer Albert Wohlrabe und Hermann Maria Keutner, die ihren Freund immer wieder zur Weiterarbeit aufmuntern. Von der Freundschaft der Kirchenmänner mit dem Künstler zeugen die Madonnen in den Gotteshäusern des Dombachtals. 1983 findet Heinrich Otto Kreuchen auf dem Dombacher Friedhof seine letzte Ruhestätte.

Werner Ott, August 1995